Der Raser, die Vortrittsmissachterin, der Auffahrer: Was im dichten Schweizer Strassenverkehr tagtäglich abgeht, ist nichts für schwache Nerven. Die meisten Vergehen spielen sich hinter dem Rücken der Polizei ab. Könnten Dashcams Abhilfe schaffen, indem ihre Aufzeichnungen als Beweismittel verwendet werden dürfen? Das Bundesgericht hat sich vor einem Jahr erstmals dazu geäussert.
Eine Dashcam ist eine in Fahrzeugen installierte Kamera, die Aufnahmen macht vom Strassenverkehr. Die Kamera filmt alles: Farbige Bilder stellen das meist gut lesbare Fahrzeugkontrollschild, Verkehrssignale und andere Verkehrsteilnehmer dar. Genau hier beginnt die rechtliche Schranke: Sind solche personenbezogenen Daten erkennbar, gilt dies als Bearbeitung von Personendaten, auf welche das Datenschutzgesetz Anwendung findet. Die gefilmten Verkehrsteilnehmer wissen oftmals gar nichts davon und erlangen erst Kenntnis von den Aufnahmen, wenn es zu einem Unfall oder einer Anzeige gekommen ist. Diese Dashcamaufnahmen werden dann von den Beteiligten als mögliches Beweismittel in einem Straf- oder Zivilprozess eingebracht. Dabei erhoffen sie sich, eine eindeutige Sachverhaltslage zu erreichen, um ihre jeweiligen Ansprüche geltend zu machen. Dass die Dashcamaufnahmen jedoch heimlich und ohne Einwilligung der Verkehrsteilnehmer erfolgt ist, ist gemäss dem bundesgerichtlichen Urteil vom 26. September 2019 nicht mit dem Grundsatz der Transparenz zu vereinbaren.
Persönlichkeitsschutz vs. Beweismittel bei der Dashcam
Ein weiteres Problem sieht das Bundesgericht in der Verhältnismässigkeit solcher Videoaufnahmen: Dashcams stehen oft im Dauerbetrieb, sie laufen folglich ständig während der Fahrt, sodass der öffentliche Verkehr fortlaufend gefilmt und abgespeichert wird. Es wird damit ein Generalverdacht gegenüber allen Verkehrsteilnehmern erweckt, schliesslich werden viel mehr Daten generiert, als eigentlich nötig wäre. Positive Aspekte der Aufnahmen, wie beispielsweise die Rekonstruktion eines Unfalls, müssen gegen den Persönlichkeitsschutz jedes Menschen abgewogen werden. Dabei werden die Interessen beider Seiten einander gegenübergestellt. Diese Interessensabwägung liegt im Ermessen des Gerichts. Ist also der Vorfall in den Augen der Strafbehörde gravierend genug, so kann sich eine Auswertung der Dashcamaufnahmen rechtfertigen und die Aufnahmen somit als Beweismittel zugelassen werden.
Das Bundesgericht legte in seinem Entscheid allgemeine Grundsätze fest, in welchen sich eine Auswertung rechtfertigt. So sollen Dashcamaufnahmen nicht zu Unterhaltungszwecken eingesetzt und nicht zur Aufklärung von Bagatelldelikten herangezogen werden dürfen. Dashcamaufnahmen rechtfertigen sich gemäss Bundesgericht folglich erst bei schweren Straftaten, namentlich Verbrechen. Der Ausgangspunkt, unter der eine Straftat mittels Dashcamaufnahmen ausgewertet und als Beweis zugelassen werden, ist Art. 141 Abs. 2 StPO. Weiter soll eine sogenannte «Hilfs-Sheriff-Mentalität» vermieden werden, da die Polizei für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs verantwortlich ist.
Urteil des Bundesgerichts 6B_1188/2018 vom 26. September 2019
Rudolf Studer ist Rechtsanwalt in der Kanzleigemeinschaft Scholl Lienhard & PartnerSLP in Aarau. Er berät Unternehmen sowie Privatpersonen in den Bereichen: des allgemeines Vertragsrecht sowie des Strafrechts (inkl. Strassenverkehrsrecht).