Es entspricht der gesellschaftlichen Tendenz im Arbeitsrecht, dass bei Kündigungen durch den Arbeitgeber die Frage der Missbräuchlichkeit aufgeworfen wird. Zunehmend wird in der Praxis von den Arbeitnehmern geltend gemacht, dass wenn kein wichtiger und expliziter Grund für eine Kündigung vorliege, diese missbräuchlich sei. In diesem Zusammenhang zurzeit viel diskutiert sind die sogenannten «Alterskündigungen». Kündigungen, die arbeitgeberseitig ausgesprochen werden und ältere langjährige Mitarbeiter treffen, können missbräuchlich sein und zu einer Entschädigung führen, sind dies aber nicht in jedem Fall.
Zunächst ist vom Prinzip der Kündigungsfreiheit im Schweizerischen Obligationenrecht auszugehen, das heisst, jede Partei ist grundsätzlich berechtigt, das Arbeitsverhältnis gemäss den vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen ohne sachlichen Kündigungsgrund zu kündigen. Die Grenzen liegen bei der sogenannten missbräuchlichen Kündigung, wobei das Gesetz hierfür keine abschliessende Liste beinhaltet, was missbräuchlich ist. Dabei gilt gegenüber älteren Arbeitnehmern eine erhöhte Fürsorgepflicht, das heisst, dass der Arbeitgeber dafür zu sorgen hat, einem Mitarbeiter, der kurz vor der ordentlichen Pensionierung steht, zu ermöglichen, seine Arbeitstätigkeit ohne finanzielle Einbussen bis zur ordentlichen Pensionierung zu beenden. Dafür gibt es gewisse Voraussetzungen:
Es muss sich um ältere Arbeitnehmer handeln, wobei das Gesetz keine Altersgrenze definiert. Das Bundesgericht hat im Fall eines 59-Jährigen eine Alterskündigung geschützt, in der Literatur geht die Tendenz eher zu einem noch tieferen Alter von etwa 55 Jahren. Als zweites Kriterium muss der ältere Mitarbeiter bereits länger im Betrieb beschäftigt gewesen sein. Auch hier hat das Bundesgericht gesagt, dass bereits sechs Jahre als lange Dienstzeit gelten können. Grundsätzlich gilt eine Korrelation zwischen Dienstdauer und Alter, das heisst je länger die Dienstzeit des Arbeitnehmers, desto weniger hohe Anforderungen sind an das Alter zu stellen und umgekehrt.
Auf jeden Fall sind bei der Frage, ob eine Kündigung alleine wegen des Alters missbräuchlich ist, die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich, was es schwierig macht, den Einzelfall einzuordnen. Arbeitgeberseitig sind bei einer beabsichtigten Kündigung eines älteren Mitarbeiters aber zumindest folgende Punkte zu beachten:
a) Zunächst soll der Arbeitnehmer frühzeitig über eine allfällig drohende Kündigung orientiert werden. Dem Arbeitnehmer soll das Recht zur Anhörung gewährt werden. Überdies soll dem Mitarbeiter klar dargelegt werden, weshalb ihm gekündigt wird.
b) Allfällige Leistungsdefizite, auch infolge Alters, sind dem Mitarbeiter aufzuzeigen und gegebenenfalls eine Nachfrist zur Verbesserung der Defizite einzuräumen. Es empfiehlt sich, auf die drohende Kündigung hinzuweisen.
c) Sofern möglich, ist dem Mitarbeiter eine alternative Lösung zur Weiterbeschäftigung anzubieten. Dies kann in Form einer Reduktion des Pensums sein oder aber auch die Zuweisung anderer Arbeit. Die Kündigung soll als letzte Massnahme dienen, wenn keine andere Lösung gewählt werden kann.
Grundsätzlich gilt, dass eine Kündigung infolge altersbedingter Leistungseinbusse grundsätzlich zulässig ist. Dann ist sie nämlich nicht allein wegen des Alters und des allenfalls zu hohen Lohnes begründet, sondern knüpft an die Leistung an. So hat das Bundesgericht bspw. eine Kündigung eines 56-jährigen Arbeitnehmers mit 27 Dienstjahren geschützt, da der Kündigung mehrere mündliche Ermahnungen bezüglich der Qualität seiner Arbeit voraus gingen.
Als missbräuchlich hat das Bundesgericht hingegen die Kündigung eines Arbeitnehmers beurteilt, der 44 Dienstjahre hatte und ein Jahr vor der Pensionierung stand, weil der Arbeitnehmer seine Arbeit immer klaglos verrichtet hat und ebenso nicht vorgängig zur drohenden Kündigung angehört wurde. Dem Arbeitnehmer wurde die maximale Entschädigung von sechs Monatslöhnen zugesprochen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei der arbeitgeberseitigen Kündigung von älteren Mitarbeitenden Zurückhaltung geboten ist und die Kündigungsfreiheit nur sehr eingeschränkt gilt. Aufgrund der erhöhten Fürsorgepflicht gegenüber älteren Arbeitnehmern ist seitens Arbeitgeber alles Mögliche zu unternehmen, um eine allfällige Kündigung zu verhindern. Es empfiehlt sich daher frühzeitig mit älter werdenden Mitarbeitern, die beispielsweise aufgrund körperlich schwerer Arbeit in der Leistungsfähigkeit nachlassen, ihren Einsatz bis zur Pensionierung frühzeitig zu besprechen und zu planen. Aber: nicht jede Alterskündigung ist missbräuchlich und führt zu einem Genugtuungsanspruch.
Rudolf Studer ist Rechtsanwalt bei SLP Rechtsanwälte und Notariat in Aarau. Er berät Unternehmen sowie Privatpersonen in den Bereichen des allgemeinen Vertragsrecht sowie des Strafrechts (inkl. Strassenverkehrsrecht).
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